Den Klimadiskurs mitgestalten
Carel C. Mohn im nachgefragt-Interview zum Thema Klima-Kommunikation.
Der heiße Sommer brachte den Klimawandel wieder in die Schlagzeilen. Bleibt es wie häufig bei „Sensationsberichterstattung“, Interesse weckender Panikmache und Extremwetterberichten oder gibt es auch mal in der Medienlandschaft einen Wandel?
Carel C. Mohn: Die Medien haben über den Extremsommer 2018 intensiv und häufig auch fundiert berichtet. Das heißt, sie haben in vielen Fällen das Globale – also den Klimawandel – und das Lokale und Konkrete im Lebensumfeld ihrer Leserinnen und Leser auf informative und anschauliche Weise zusammengebracht. Aber der Klimawandel ist ja mit dem Ende von Hitze und Dürre nicht vorbei, und für einen politischen Klimajournalismus geht es jetzt erst richtig los: an der Frage, was wir politisch gegen den Klimawandel tun, müssen die Medien jetzt hartnäckig dranbleiben.
Werden Kommunikationsaspekte in der Klimadebatte weiterhin vernachlässigt?
Carel C. Mohn: Das Wissen, das die Forschung zur Vermittlung bereitstellt - scheint wohl immer noch vielen zu trocken, langweilig (… vermutlich auch, weil die vielen Klimagipfel, mit Ausnahmen, kaum etwas brachten und auf die Beschlüsse von den wenigsten Regierungen wirklich ernst und in Angriff genommen wurden?
Alle, die sich Sorgen machen über den Klimawandel, sollten verstehen: es ist eine völlig irrige Annahme, dass es ausreicht, Menschen über die Erdüberhitzung zu informieren und dass diese Menschen dann aktiv werden. Aus der Sozialforschung wissen wir inzwischen, dass der Weg von der Erkenntnis eines Problems bis zum lösungsorientierten Handeln oft sehr, sehr weit ist und von etlichen Einflussfaktoren abhängt. Vor allem aber wissen wir: Es ist weniger das Wissen, das zum Handeln aktiviert, sondern das Bild, das wir von uns selbst als soziale Wesen haben. Und hierbei spielt eine zentrale Rolle, dass es sehr vielen Menschen ein Anliegen ist, zu einer „guten“, gelingenden Ordnung der Dinge beizutragen.
Ist es einfach so, dass es erst richtig kritisch und knapp werden muss bis wir endlich aufwachen? Oder woran liegt es, dass der Klimawandel noch immer nicht so richtig in den Köpfen angekommen ist?
Carel C. Mohn: Ich muss widersprechen: Der Klimawandel ist in den Köpfen absolut angekommen! eine überwältigende Mehrheit der Menschen in Österreich – weit über 90 Prozent – erkennt menschliches Handeln als Ursache der Erdüberhitzung an. Und etwa jeder Dritte in Österreich ist ernsthaft besorgt und sieht eine persönliche Mitverantwortung. Jeder und jede Dritte, das sind Millionen von Menschen. Auf diese Menschen würde ich setzen, wenn den Klimaschutz voranbringen will. Wir sollten dabei eines nicht vergessen: Tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen hatten an ihrem Anfang noch nie gesellschaftliche Mehrheiten. Die Vorstellung, dass wir also erst alle und jeden informieren und für den Klimaschutz begeistern müssen, ist also zutiefst ahistorisch und unpolitisch.
Welche drei Schritte wären wichtig, um die Dringlichkeit der Klimakrise in die Köpfe der Leute zu bekommen und sie in ihren Bereichen zum Handeln zu bringen?
Carel C. Mohn: Wie gesagt – das Bewusstsein von der Dringlichkeit ist bei einer ausreichend großen Anzahl von Menschen vorhanden. Wir können uns also auf die Frage konzentrieren, wie man vom Problembewusstsein und einer latenten Handlungsbereitschaft zum tatsächlichen Handeln kommt. Und hierbei sind zwei Faktoren entscheidend: Zum einen geht es darum, dass Menschen erfahren und erleben können, dass gemeinschaftliches Handeln mit anderen spürbare Veränderungen bewirken kann. Man könnte also von der Erfahrung gemeinschaftlicher Selbstwirksamkeit sprechen. Und zum zweiten kommt es auf den politischen Faktor an. Die Klimaveränderungen, die wir erleben, sind das Ergebnis politisch gestalteter Regeln. Und es sind diese Regeln, die wir verändern müssen und auch verändern können.
Einzufordern wäre daher, dass alle Parteien Antworten darauf entwickeln, wie wir mit besseren Regeln für unser Wirtschaften ein klimaverträgliches Wirtschaften hinbekommen. Darauf sollte man insistieren – genauso, wie es sich keine Partei leisten kann, keine Ideen für die Außen- oder die Sozialpolitik zu haben, genauso darf es sich auch keine Partei leisten können, keine Ideen für die Klimapolitik zu haben.
Optimale Klima-Kommunikation muss wohl eher ein Balanceakt sein – zwischen zu trockener Sachlichkeit und zu heftiger, womöglich kontraproduktiver Panikmache? Und was kann eine solche erreichen?
Carel C. Mohn: Die Frage lässt vermuten, es gebe so etwas wie eine „richtige“ Art, über Klimathemen zu sprechen, sprich, eine Art, mit der man alle erreicht, oder doch fast alle. Dem ist leider nicht so. Menschen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem „guten“ Leben, sie verfolgen sehr unterschiedliche Interessen und sie orientieren sich an unterschiedlichen Werten und Normen. All das spielt in die Gleichung hinein, als deren Ergebnis sie den Klimawandel für eine ernsthafte Bedrohung halten. Und häufig wird ja der Klimawandel für ein großes oder ein kleines Problem gehalten, je nachdem, ob einem die Maßnahmen zu seiner Bekämpfung politisch behagen oder nicht. Allerdings enthält dieser Befund für Ihre Frage auch etwas sehr Beruhigendes: Egal ob man eher auf maximale Nüchternheit setzt oder aber auch die eigene Betroffenheit, die eigenen Emotionen thematisiert – mit beiden Ansätzen kann man Menschen erreichen. Obendrein kommt hinzu, dass wie erwähnt die Informationsvermittlung als solches ohnehin nicht der entscheidende Faktor für die Frage ist, ob Menschen aktiv werden oder nicht.
Welche Bereiche/Branchen sind besonders wichtig, wo kann „Klimakommunikation“ ankommen und viel bewegen?
Carel C. Mohn: Entscheidend ist, dass Klimakommunikation immer das Politische mitdenkt und mitkommuniziert. Konkret: Wenn wir über den Extremsommer 2018 sprechen, darüber, wie die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft davon betroffen waren, oder wie alte Menschen gesundheitlich unter der extremen Hitze gelitten haben, dann sind das Klimafolgen, die immer auch auf einer elementar politischen Ebene sichtbar wurden – also immer auch in den Wahlkreisen von Gemeinderäten, Landtags-, Nationalrats- oder Europaabgeordneten. Und hier sollte Klimakommunikation diese Gemeinderäte und Abgeordneten fragen: Was ist Euer Beitrag in der Landwirtschafts-, der Gesundheits-, der Verkehrs- oder der Baupolitik zum Klimaschutz?
Die Front von KlimaskeptikerInnen und –leugnerInnen wird offenbar nicht kleiner – wie kann man denen begegnen?
Carel C. Mohn: Ich würde von Leugnismus sprechen, denn im Regelfall haben sich diese Menschen ganz bewusst entschieden, einen Teil der Wirklichkeit auszublenden, der nicht in ihr Weltbild passt. Meine Empfehlung: Vergessen Sie die Leugnisten. Und konzentrieren sie sich auf die Menschen, die mit Ihnen gemeinsam an der politischen, an der gesellschaftlichen Aufgabe Klimaschutz arbeiten wollen. Oder anders gesagt: Auf die politisch erwachsenen Menschen in der gesellschaftlichen Mitte.
Wie kommunizieren Sie Ihren persönlichen Umgang mit dem Klimawandel? Wir gehen davon aus, dass sich Ihre Klima-Bilanz vorzeigen lässt. Teilen Sie Erfolge, Schwachstellen etc. mit anderen?
Carel C. Mohn: Wenn Sie mich auf meine persönliche Klimabilanz ansprechen, dann möchte ich zurückfragen: Was sind das eigentlich für verrückte Gesetze, die mich mit teils absurden Mehrkosten dafür bestrafen, wenn ich für die Reise von Berlin nach Wien nicht das Flugzeug sondern den Zug nehme? Oder die es zu einem Akt des individuellen Heroismus machen, wenn ich die Heizung meines Einfamilienhauses vom klimaschädlichen Erdgas auf Erdwärme umrüste?
Ihre Einschätzung: Sind die großen Vorhaben – 2°, 1,5°-Grad-Ziel – noch erreichbar?
Carel C. Mohn: Sie sprechen von den sogenannten Klimazielen. Aber schon der Begriff ist eine Zumutung. Welchen konkreten Akteuren sollen denn diese sogenannten Klimaziele welche konkreten Handlungsaufträge geben? Im Unternehmensberater-Jargon wird ja immer wieder betont, Menschen sollten sich „smarte“ Ziele setzen, also spezifische, messbare, erreichbare (achievable), realistische und zeitgemäße (timely) Ziele. Genau diese Konkretion vermisse ich aber bei den Klimazielen. Ich würde daher dafür plädieren, dass wir uns in Österreich oder Deutschlandein smartes Kohle-, Öl- und Gasziel setzen, also die Frage stellen: bis wann und auf welchem Weg kommen wir raus aus der Nutzung von fossiler Kohle, fossilem Öl und fossilem Gas. Ein so formuliertes Klimaziel macht wesentlich besser deutlich, wer was zu tun hat.
Herzlichen Dank für das Interview.
Das Interview führten Thomas Kautnek und Andreas Strasser.
Weiterführende Informationen: www.klimafakten.de
zur Person
Carel C. Mohn, gelernter Journalist und Politologe, arbeitete als Kommunikationsdirektor Deutschland für die European Climate Foundation, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), als Sprecher für den Bundesverband der Verbraucher und bei Transparency International. Er leitet das Projekt klimafakten.de seit dem Start 2011 und ist auch Programmdirektor beim Clean Energy Wire CLEW.