Essen braucht Bodenschutz
Susanne Maier im nachgefragt-Interview zum Thema "Bodenschutz und Ernährung".
Wir sind Europameister in der Flächenversiegelung und im Bodenverbrauch. Damit gefährden wir unsere Ernährungsgrundlage. Kann der Biolandbau uns da helfen?
Susanne Maier: Die Ernährungssicherheit eines Landes hängt stark mit der Frage des Bodenschutzes zusammen: nur durch gesunde und fruchtbare Böden sind zukünftige Ernten gewährleistet. Die Bodenverluste durch Verbauung und Erosion sind in Österreich hoch. Biobetriebe können die Versiegelung der Flächen nicht aufhalten, aber viel gegen Bodenerosion und für höhere Humusgehalte tun. Humusmehrung und die Förderung der Aktivität des Bodenlebens sind die wichtigsten Ziele der biologischen Landwirtschaft. Biobauern und Biobäuerinnen achten auf Kreislaufwirtschaft und Fruchtfolgen, bearbeiten die Böden möglichst schonend und fördern so die Bodenlebewesen. Dadurch zeigen sich in der Regel höhere Humusgehalte in biologisch bewirtschafteten Äckern im Vergleich zu konventioneller Bewirtschaftung. Fruchtbarer Boden ist ein unbezahlbares Gut: es dauert mindestens hundert Jahre bis ein Zentimeter Boden neu entsteht.
Gesunde Böden garantieren gesunde Nahrung ...
Ja, die Düngung mit organischen Stoffen garantiert langfristig gesunde Böden, gesunde Pflanzen, gesunde Tiere und so auch gesunde Lebensmittel. Einer der Pioniere der biologischen Landwirtschaft ist Hans-Peter Rusch. Er war Arzt und von ihm stammt der Spruch: Nur ein gesunder Boden bringt gesunde Pflanzen, diese bringen gesunde Tiere und Menschen. BIO hält den Boden nachhaltig gesund. Düngung mit organischen Stoffen wie Kompost und Mist schont den Boden, baut Humus auf und garantiert langfristig auf natürliche Weise die Fruchtbarkeit der Äcker und Wiesen. Biobauern und Biobäuerinnen achten diesen Zusammenhang. Biobetriebe dürfen keine chemisch-synthetischen Düngemittel und Spritzmittel verwenden. Dadurch entsteht ein wesentlicher Vorteil auch fürs Klima.
Werden Biobäuerinnen und Biobauern nicht auch als „Klimaschutz-Champions“ gehandelt?
Die Biologische Landwirtschaft weist deutlich geringere CO2 (eq)-Emissionen in der pflanzlichen und tierischen Produktion auf, und zwar um 30 bis 66 % bezogen auf die Fläche.
Dies ist zum einen auf das im Biolandbau vorgeschriebene Einsatzverbot leicht löslicher Stickstoffdünger zurückzuführen, zum anderen liegt es auch an wesentlich geringeren Futtermittelimporten im Biolandbau, etwa bei Soja. Soja aus Brasilien und Argentinien hat gravierende Auswirkungen auf das Klima, weniger aufgrund der Transportaufwendungen als vielmehr aufgrund der enormen CO2-Emissionen durch Umbruch von Savannenland und Tropenwälder, genannt auch „Land Use Change“.
Ich gehe davon aus, dass sich auch Ihre eigene Klima-Bilanz sehen lassen kann. Ist das so?
Ich bemühe mich, so gut es geht. Die beruflichen Fahrten (ich pendle zwischen den Bürostandorten Linz und Wien) erfolgen ausschließlich mit dem Zug, privat fahre ich einen Renault Zoe (Elektroauto) und ich besitze sogar ein Elektrofahrrad, obwohl strampeln wohl gesünder wäre. Am Dach unseres Wohnhauses haben wir eine Photovoltaikanlage, die in etwa so viel Strom produziert, wie wir verbrauchen.
Was unsere Ernährung betrifft, ist natürlich biologisch, saisonal und regional im Vordergrund. Ich hab es leicht, meine Mutter bewirtschaftet einen wirklich großen Gemüsegarten, wir haben 6 Hühner und ich kenne ganz viele Biobetriebe, bei denen ich die köstlichsten Produkte kaufen kann. Diesen Vorteil bringt halt auch mein Beruf mit sich und ich muss sagen, ich genieße das auch sehr.
Dem sorgsamen Umgang mit dem Boden entspricht auch ein ebenso sorgsamer Umgang mit den Tieren …
Die Biobauern und Biobäuerinnen schauen auf ihre Tiere. Das Futter kommt überwiegend vom eigenen Hof, die Tiere werden ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechend mit viel Bewegungsfreiheit, Sozialkontakten, entsprechender Weide oder Auslauf und auf Liegeflächen aus Stroh gehalten. Dadurch entstehen Lebensmittel von höchster Qualität. Die BIO AUSTRIA-Mitgliedsbetriebe gehen sogar noch weiter: sie bieten den Tieren mehr als die EU Bio-Verordnung vorschreibt. Das heißt zum Beispiel Klettergelegenheiten für Ziegen, aber auch Weide für alle Milchkühe. BIO AUSTRIA hat als einziger Bio-Verband weltweit die Betriebe zur Aufzucht von Bruderhähnen verpflichtet und dies auch in der Direktvermarktung von Eiern verankert – was das Ende der sogenannten „Eintagsküken“ bedeutet.
Dem was „bodengebunden“ aufwächst gilt wohl auch große Sorgfalt. Spielt die Vielfalt der Arten dabei eine besondere Rolle?
Auf Bio-Feldern, -Wiesen und -Äckern, wächst eine Vielfalt an unterschiedlichen, teilweise sogar vergessenen Getreide-, Gemüse- und Obstsorten. Laut zahlreichen Studien tummeln sich auf Bioflächen signifikant mehr Regenwürmer, Laufkäfer, Spinnen, Tausendfüßer, Wanzen, Milben und Vögel. Denn Biobäuerinnen und Biobauern fördern den ökologischen Reichtum an Arten und Individuen, indem sie komplett auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten. Durch die hohe Anzahl an Nützlingen in den Bio-Feldern haben Schädlinge keine Chance, denn das in der Natur vorherrschende Beute-Räuber-Verhältnis bleibt intakt.
Wie weit ist die Energiewende am Bauernhof?
Biobäuerinnen und Biobauern sind oft sehr kreativ, wenn es darum geht, Kreislaufwirtschaft auf möglichst alle Bereiche der biologischen Land- wirtschaft zu übertragen. So nutzen viele bereits Solarenergie und Photovoltaik, mit der die Ställe und Wirtschaftsgebäude betrieben werden, oder sie setzen Produkte, die bei der Verarbeitung anfallen, wieder als organischen Dünger in der biologischen Landwirtschaft ein. So tragen Biobäuerinnen und Biobauern jeden Tag zu einer nachhaltigen und vor allem zukunftsorientieren Wirtschafts- und Lebensweise bei, die nimmt und wieder gibt.
Im Bodenverbrauch sind wir Europameister. Wo stehen wir international im Biolandbau und wie sieht’s mit den Mitgliederzahlen aktuell aus?
Knapp 24 % der Fläche und 20 % der Betriebe in Österreich wirtschaften biologisch. In Prozenten gesehen sind wir Spitzenreiter, in absoluten Zahlen sind wir weltweit gesehen natürlich ein kleines Land.
Biolandbau, so wird behauptet, könne die Welt nicht ernähren – da gibt es doch andere Ansichten oder?
Es stimmt, die Erträge pro Hektar sind in Gunstlagen bei Bio niedriger als in der industrialisierten konventionellen Landwirtschaft, und höhere Erträge liefern mehr Nahrungsmittel, können theoretisch also mehr Menschen ernähren. In der Praxis ist das Problem ein ganz anderes. Global betrachtet leidet der geringere Teil der Bevölkerung an Unterernährung, während der viel größere Teil an genau dem Gegenteil krankt, nämlich dem Überangebot an Nahrungsmitteln. Wir müssen die Lebensmittelverschwendung reduzieren und unsere Ernährung auf weniger Fleisch und mehr Getreide, Obst und Gemüse umstellen, dann ist Bio weltweit eine sinnvolle Alternative.
Gerade in Ländern des globalen Südens kann die biologische Wirtschaftsweise sogar zu höheren Erträgen führen – weil chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel teuer sind, das Wissen um Alternativen hingegen unbezahlbar, aber kostenlos. Wer weiß, wie Humus im Boden aufgebaut wird, wie organischer Dünger eingesetzt werden kann, wer also auf natürliche Weise die Bodeneigenschaften nachhaltig, weil dauerhaft verbessern kann und Schädlinge schon durch die Auswahl standortangepasster Sorten in Schach hält, der spart Geld und investiert in die Zukunft.
Studien belegen offenbar, dass gesunde, biologisch bewirtschaftete Böden Katastrophen wie etwa Dürre leichter überdauern können, ist das so?
Funktionierende, fruchtbare Böden sind die bestmöglichen Wasserspeicher. Untersuchungen zeigen, dass das Wasserrückhaltepotential biologisch bewirtschafteter Flächen um 39 % über dem von konventionell bewirtschafteten Böden liegt. Das heißt Bio-Böden können deutlich mehr Wasser aufnehmen. Aufgrund der guten Struktur saugt ein Bio-Boden selbst starke Regen auf wie ein Schwamm. Durch das stabile Krümelgefüge biologischer Böden wird Wasser besser in tiefere Bodenschichten transportiert. Der Biolandbau leistet dadurch einen wichtigen Beitrag, Intensität und Folgen von Hochwässern zu verringern. Durch das bessere Wasserspeicherpotenzial sind humusreiche Bio-Böden auch für mögliche negativen Auswirkungen des Klimawandels besser gerüstet: Es schützt nicht nur vor den Auswirkungen intensiver Niederschläge, sondern hilft auch lange Trockenphasen besser zu überstehen. Das hohe Speicherpotenzial humusreicher Bio-Böden bindet darüber hinaus auch klimaschädliches CO2 im Boden.
Was sagt Bio Austria zum „Bauernsterben“? Wie kann man da gegensteuern?
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist ein zunehmend gesellschaftliches Problem. Unsere Daten zeigen, dass leider auch viele Biobetriebe für immer geschlossen werden. Es braucht wieder mehr Wertschätzung für die Arbeit der Bauern und Bäuerinnen und es braucht vor allem faire Preise. Für einen Becher Schlagobers zahlt man heute im Geschäft exakt gleich viel wie vor dem EU-Beitritt 1995, das selbe gilt für Hühnerfleisch und vieles mehr. Wir Konsumentinnen und Konsumenten müssen den Wert der Bio-Lebensmittel honorieren und weg kommen davon, dass Lebensmittel billig sein müssen. Nur dann werden junge Menschen bereit sein als Biobauern und Biobäuerinnen zu arbeiten, aufs Tierwohl zu achten, unsere Landschaft zu pflegen und uns mit wertvollen gesunden Lebensmitteln zu versorgen.
Das EU-Agrar-Budget soll gekürzt werden. Was bedeutet das für unsere Landwirtschaft, insbesondere den Biolandbau? Wie sieht man bei Bio Austria diese „Sparpolitik“ auf europäischer Ebene?
Wir vermissen die längst überfällige Weichenstellung in Form einer klaren Ausrichtung der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) auf eine gleichermaßen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft. Der bisher vorgelegte Vorschlag enthält zwar unterstützenswerte Ziele und Maßnahmen mit Potential, doch es werden insgesamt weder ausreichend Prioritäten, noch Dotierung für die Honorierung einer nachhaltigen Landwirtschaft auf EU-Ebene sichergestellt. BIO AUSTRIA kritisiert daher die vorgeschlagene Kürzung des Budgets für die Agrarpolitik. Die Ländliche Entwicklung mit den Agrar-Umweltprogrammen und damit auch den Biomaßnahmen zu beschneiden, ist ein grundlegend falscher Ansatz und ein verheerendes Signal. Nicht Kürzungen sind angebracht, sondern vielmehr ein gezielterer Einsatz der Mittel. Wir dürfen nicht durch Sparmaßnahmen an der falschen Stelle die Zukunft unserer Kinder und Enkel aufs Spiel setzen.
Herzlichen Dank für das Interview.
Das Interview führte Andreas Strasser.
Weiterführende Informationen:
zur Person
Susanne Maier, studierte Agrarökonomin, ist bereits seit vielen Jahren bei BIO AUSTRIA tätig, seit 2015 als Geschäftsführerin des Bundesverbandes. Als Absolventin der Universität für Bodenkultur hat sie sich bereits in den 1990 er Jahren für Biolandbau interessiert.
BIO AUSTRIA ist mit über 12.500 Mitgliedsbetrieben der größte Bioverband in Österreich und in Europa.